wz vom 16.10.01

“Geschichten müssen wie ein Filet abhängen”

Zugeständnisse heißt das erste gemeinsame Buchprojekt der Autorinnen Micha- ela Kura und Renate Berg. Es erzählt Geschichten vom Zugfahren.

Auf dem Bahnsteig herrscht dichtes Gedränge, die Trillerpfeife gibt das Signal und der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Das erste Buch der beiden Autorinnen Michaela Kura und Renate Berg erzählt in Lyrik und Prosa Geschichten rund um Züge. Am
21. Oktober veranstalten die beiden Frauen aus Büttgen und Grefrath eine Lesung im Krefelder Nordbahnhof.

“Typische Geräusche des Zugfahrens und die Atmosphäre eines hektischen Bahnhofs kommen da zusammen und machen die Geschichten noch authentischer”, sagt Micha- ela Kura, die selbst oft S-Bahn fährt und dort die Ideen für ihre Gedichte aufschnappt. Die 30- Jährige hat an der Fachhochschule Düsseldorf Grafik-Design studiert. Über einen Kursus Kreatives Schreiben kam die Büttgenerin zur Lyrik. Mittlerweile studiert sie im dritten Semester Germanistik und Medienwissenschaften, arbeitet aber weiterhin hauptberuflich als freie Grafikerin. “Die Lyrik liegt mir. Das kommt vielleicht auch durch die mir vertraute, auf den Punkt bringende Form der Werbesprache”, schildert sie ihre Vorliebe für die Gattung. Ideen schreibt die Autorin auf kleine Zettel oder tippt sie in den Computer. “Es gefällt mir, mit wenigen Worten den Nerv der Zeit zu treffen.”

In sieben Anthologien hat Michaela Kura ihre Gedichte über Alltägliches und Surreales bereits veröffentlicht. Auch einige Kurzgeschichten hat sie in der Dachwohnung an der Glehner Straße geschrieben. “Gute Geschichten müssen dabei abhängen wie ein gutes Filetstück”, sagt sie. “Bei einem Gedicht über einen Alzheimer-Kranken habe ich einmal ein gutes halbes Jahr nach nur einem passenden Wort gesucht. Schließlich habe ich es aber gefunden, erinnert sie sich schmunzelnd.

Seit fünf Jahren arbeitet Michaela Kura an ihrer Schriftsteller-Karriere, um später als Autorin ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. “Als Lyrikerin hat man es immer noch en bisschen schwerer”, sagt sie. Auf der Frankfurter Buchmesse hielt sie jetzt nach einem passenden Verleger Ausschau.

Mit Renate Berg, die sie in einem Schreibseminar kennenlernte, hat sie gut ein Jahr am gemeinsamen Buchprojekt gearbeitet. Berg hat für die Zugeständnisse zwei Kurzge- schichten verfasst. “Die Erzählung Die Gralssuche, bei der es um eine Zugfahrt von Düsseldorf nach Hamburg geht, ist meine Lieblingsgeschichte”, sagt Renate Berg. Die Grefratherin hat bereits Erzählungen mit dem Titel Hexe und Harlekin veröffentlicht. Zur Zeit befasst sie sich mit einem Romanprojekt über das Burn-Out-Syndrom. Die 39-Jährige arbeitet als Krankenschwester auf einer Intensivstation und hat drei Kinder.

Die Autorinnen planen bereits ihr nächstes gemeinsames Projekt. “Das Thema wird aber noch nicht verraten”, sagt Kura, die gerne zeitgenössische Dichter, aber auch Klassiker wie Kafka oder Hesse liest. Professionelles Feedback be- kommen die beiden Frauen von einer Düsseldorfer Schriftstellerin.

von Ellen Schröder